WörthseeBund Naturschutz

Hier lesen Sie die 

Stellungnahme des Bund Naturschutz in Bayern e.V. zum Planfeststellungsverfahren des Straßenbauamtes München

InhaItsverzeichnis (nicht Teil der originalen Stellungnahme)

1. Der Wörthseer Trinkwasserbrunnen III ist massiv gefährdet
1.1 Schadstoffeintrag ins Trinkwasser
1.2 Qualität des Trinkwassers
1.3 Schutz des Trinkwassers hat höchste Priorität
1.4 Der Wörthseer Brunnen III darf nicht leichtfertig gefährdet werden
2. Die Straße zerstört eine einmalige und unter verschiedenen Schutzkategorien stehende Landschaft
2.1 Teil des regionalen Grünzuges "Herrschinger Moos/Weßlinger See/Aubinger Lohe"
2.2 Teil des landschaftlichen Vorbehaltsgebiets "Ammersee mit Herrschinger Moos, Wörth-, Pilsen- und Weßlinger See"
2.3 Teil des Landschaftsschutzgebietes "Westlicher Teil des Landkreises Starnberg", Landschaftsteil "Seefelder Rücken" und "Dellinger Buchet" und Teil des Landschaftsschutzgebietes "Fünf-Seen-Gebiet"
2.4 Natura 2000-Gebiete, FFH-Gebiete
2.5 Erholungsraum
3. Wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen werden zerstört und zerschnitten
3.1 FFH-Verträglichkeitsprüfung
3.2 Nachweis des Hirschkäfers
3.3 Altbestände an Bäumen sind nicht ausgleichbar!
3.4 Waldränder
3.5 Betrachtete Tierarten
3.6 Dellinger Höhe
3.7 Mitterwies, Laich, Golfplatz und Anschluß Grünsinker Str. Bau-km 2,7 bis 3,2
3.8 Trennung der Naturschutzgebiete Schluifelder Moos und Pfeiferwinkelmoos
4. Die erhoffte Verkehrsberuhigung Weßlings steht in keinem Verhältnis zu den negativen Auswirkungen der neuen Straße
4.1 Uneinheitliche Verkehrsgutachten
4.2 Einfluss des Gewerbegebietes Argelsrieder Feld auf Entlastungsprognose
4.3 Rückbau der Ortsdurchfahrt von Weßling
4.4 Rückbau der St 2349 (Grünsinker Straße) zu einem öffentlichen Feld- und Waldweg
4.5 Ausmaß der Entlastung fragwürdig
4.6 Analyse der Entlastungsmöglichkeiten durch andere Verkehrsträger
4.7 Raumordnerische Entwicklungsziele
4.8 Großräumige Auswirkungen
5. Einzelthemen zu den Planfeststellungsunterlagen
5.1 Wasserschutzgebiete werden angeblich nicht berührt
5.2 Angebliche Günstigkeit des Untergrundes im Bereich des Wasserschutzgebietes
5.3 Angeblich keine negativen Auswirkungen auf das Grundwasser
5.4 Behandlung des Oberflächenwassers im Bereich der S-Bahn-Unterführung
5.5 Schutz des Brunnens III der Gemeinde Wörthsee, nicht Brunnen II
5.6 Rückstufung bestehender Straßen
5.7 Schwarzspecht im Landschaftspflegerischen Begleittext
5.8 Ausmaß der Entlastung in Abhängigkeit der Rückstufung der St 2068
  Zusammenfassung

 

An die
Regierung von Oberbayern
80534 München 

Ihr Zeichen Az 225.4-43542 St 2068-1
vom 25.08.2003
Unser Zeichen STA-Wessling/VE
vom 23.10.2003

Staatsstraße 2068, Umfahrung Weßling, Bau-km 0+000 bis 3+340
Str.-km 29,260 der St 2068 bis Str.-km 11,396 der St 2348;
Planfeststellung nach Art. 36 ff. BayStrWG i.V.m. Art. 72 BayVwVfG
Anhörungsverfahren: hier Stellungnahme des BN

Anlagen:

1 Hydrogeologische Stellungnahme, Geowissenschaftliches Büro Dr. Heimbucher
2 Gutachten von Dr. Klaus Kuhn über die Gefährdung des Hirschkäfers

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Bund Naturschutz bedankt sich für die Beteiligung am o.g. Verfahren gemäß § 29 BNatSchG. In Abstimmung mit unseren örtlich zuständigen Kreis- bzw. Ortsgruppen, die auf Grund langjähriger Beobachtungen und verschiedenen Begehungen über beste Ortskenntnisse verfügen, nehmen wir wie folgt Stellung:

Die geplante Umfahrung von Weßling wird vom BN abgelehnt, da der erwartete Entlastungseffekt in keinem vertretbaren Verhältnis zu den schwerwiegenden Eingriffen in Natur und Landschaft steht.

Begründung:

Eine Entlastung der Ortsdurchfahrt Weßling wäre grundsätzlich auch aus der Sicht des BN wünschenswert. Der BN ist jedoch der Meinung, dass die geplante Umgehungsstraße keine Lösung für die Verkehrsproblematik der Gemeinde Weßling darstellt. Diesem Vorhaben stehen überdies viele äußerst wichtige Gründe entgegen:

  1. Der Wörthseer Trinkwasserbrunnen III ist massiv gefährdet.

  2. Die Straße zerstört eine einmalige und unter verschiedenen Schutzkategorien stehende Landschaft.

  3. Wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen werden zerstört und zerschnitten.

  4. Die erhoffte Verkehrsberuhigung Weßlings steht in keinem Verhältnis zu den negativen Auswirkungen der neuen Straße.

1. Der Wörthseer Trinkwasserbrunnen III ist massiv gefährdet

1.1. Schadstoffeintrag ins Trinkwasser

Die "Hydrogeologische Stellungnahme" des Geowissenschaftlichen Büros Dr. Heimbucher (Anlage1) lässt folgendes erkennen:

Die geplante Ortsumfahrung quert das Trinkwasserschutzgebiet für den Brunnen III der Gemeinde Wörthsee (Brunnen Schluifeld) auf einer Länge von insgesamt ca. 1,3 km. Der Brunnen III ist das Hauptstandbein der Trinkwasserversorgung der Gemeinde Wörthsee und ihrer Ortsteile.

Nach den Planungsgrundsätzen der Richtlinie für bautechnische Maßnahmen in Trinkwasserschutzgebieten ist bereits im Vorfeld "...grundsätzlich eine räumliche Trennung von Straßen und Wasserschutzgebieten anzustreben" . Gegen diesen Planungsgrundsatz wurde mit der hier geplanten Trasse verstoßen.

Lässt sich der Bau einer Straße im Trinkwasserschutzgebiet mangels Alternative nicht umgehen, sind im Trinkwasserschutzgebiet Einschnitte grundsätzlich zu vermeiden. Dies wurde bei der Planung der Ortsumfahrung Weßling nicht berücksichtigt, da die S-Bahnlinie mit einem 400m langen Geländeeinschnitt unterführt werden soll.

Generell fordert die RiStWag auf Straßen im Trinkwasserschutzgebieten verkehrsregelnde Maßnahmen. Sie fordert neben einer Geschwindigkeitsbegrenzung und einem Überholverbot ein Verbot für Fahrzeuge mit wassergefährdender Ladung. Diese Forderung der RiStWag findet ebenfalls keine Entsprechung im Erläuterungsbericht.

Nach den vorliegenden Unterlagen ist die geplante Trasse der St 2068 im Bereich des Trinkwasserschutzgebietes des Brunnen III der Wasserversorgung der Gemeinde Wörthsee hinsichtlich der möglichen Gefährdung des Grundwassers unzureichend untersucht. Ebenso wurden die örtlichen hydrogeologischen Verhältnisse im Bereich der geplanten Trasse nicht untersucht.

Die hydrogeologischen Untersuchungsergebnisse aus dem Nahbereich des Brunnens (z.B. 1000m entfernt von der geplanten Umgebung) sind vereinfachend auf das ganze Brunneneinzugsgebiet und die geplante Trasse übertragen worden. Gerade diese Bohrergebnisse aus dem Umfeld des Brunnens zeigen aber, dass die Deckschichtenverhältnisse uneinheitlich sind, örtlich hydraulische Fenster vorhanden sind und daher eine detaillierte Untersuchung der Deckschichten entlang der Trasse dringend erforderlich wäre.

Angesichts dieser Untersuchungsdefizite entspricht das Vorgehen bei der Planung der Ortsumfahrung Weßling nicht den Planungsgrundsätzen der RiStWag.

Das Gefährdungspotenzial für das genutzte Grundwasser wird durch den Straßenbau erhöht, obwohl die rechtlichen Detailvorgaben eingehalten werden. Der Abstand der Bohrungen von 400 bzw. 600m zu einander, ist zu groß um aufgrund dieser Ergebnisse Lücken in der Verbreitung der Moräne ausschließen zu können. Die hydraulischen Fenster, die in der schützenden Moränenschicht vorhanden sind, ermöglichen ein ungehindertes Eindringen potentieller Schadstoffe in das genutzte Grundwasser. Dies gilt insbesondere für persistente Schadstoffe, deren Eintrag ja gerade durch die Ausweisung einer Weiteren Schutzzone im WSG verhindert werden soll.

 1.2. Qualität des Trinkwassers

Dieser gefährdete Brunnen liefert darüber hinaus außerordentlich hochwertiges Wasser. Jährlich werden bis 240.000 m³ bestes Trinkwasser gefördert mit einem Nitratgehalt von 11 mg/l (Grenzwert = 50 mg/l, EU-Richtwert = 25 mg/l, das vom Zweckverband dazu gemischte Wasser enthält 29 mg/l, Quelle: Agenda21-Bericht des Landkreises Starnberg, Kapitel 7).

Ein Brunnen dieser Ergiebigkeit und Qualität darf nicht gefährdet werden! 

1.3. Schutz des Trinkwassers hat höchste Priorität

In dem aktuellen Agenda21-Bericht des Landkreises Starnberg steht im Kapitel 7 folgendes:

"Einwandfreies Trinkwasser für alle zu sichern, ist eines der wichtigsten Ziele einer nachhaltigen Wasserwirtschaft. Der Schutz des Grundwassers hat daher Vorrang vor allen anderen Nutzungsansprüchen. Aufbauend auf dem flächendeckenden Grundwasserschutz hat der besondere Schutz der Trinkwassereinzugsgebiete und aller mit der Wassergewinnung zusammenhängenden Anlagen höchste Priorität."

Die Bayerische Staatsregierung betont in ihrem Aktionsprogramm „Nachhaltige Entwicklung Bayern“, dem Nachhaltigkeitskonzept für die kommenden Jahre, Ausgabe 8/2002, Seite 32:

"Eines der wichtigsten Ziele für eine nachhaltige Wasserwirtschaft ist, die Menschen in Bayern mit einwandfreiem Trinkwasser zu versorgen. Dafür sind zwei Dinge entscheidend: ein flächen­deckender Schutz des Grundwassers und eine besondere Risikovorsorge in Wasserschutzgebieten." (Hervorhebungen nicht im Original) 

Wenn also die Staatsregierung ihr Nachhaltigkeitskonzept ernst meint, muss Sie als Bauträger ihre Verantwortung für eine nachhaltige Vorsorge zum Schutz des Trinkwassers auch wahrnehmen und das Straßenbauamt als ausführende Behörde auf ihr Konzept verpflichten.

Der Bau der Straße durch ein Trinkwassergebiet stellt deshalb einen eklatanten Verstoß gegen diese Grundsätze dar. Da somit eine besondere Risikovorsorge zum Schutz des Trinkwassers nicht vorliegt, ist der BN der Meinung, dass diese Strasse nicht gebaut werden darf. 

1.4. Der Wörthseer Brunnen III darf nicht leichtfertig gefährdet werden

Wie unter 1.1 dargestellt, kann ein Schadstoffeintrag in den Brunnen III der Gemeinde Wörthsee die Schließung des Brunnens zur Folge haben. Das dann fehlende Wasser müsste durch den Zweckverbandes zur Großräumigen Wasserversorgung ausgeglichen werden. Das ist jedoch nicht unproblematisch: Denn es werden sich demnächst folgende Veränderungen im Bereich des Zweckverbandes zur Großräumigen Wasserversorgung ergeben:

  • Gilching, Brunnen II soll stillgelegt werden, da die geplante Westumgehung die dortige Wasserschutzzone II tangiert

  • Gilching, Brunnen III, Genehmigung wird nicht erneuert, unter anderem weil der Brunnen zu nahe an das Gelände des Flughafens Oberpfaffenhofen heranreicht

  • Gilching, Brunnen IV, Trinkwasserschutz laut Gutachten nicht voll wirksam (Tanklager, A96, Flugplatz Oberpfaffenhofen)

  • Aufgrund der o.g. Probleme gibt es Überlegungen, Defizite in Gilching durch den Zweckverband zur Großräumigen Wasserversorgung auszugleichen.

  • Die Brunnen des Zweckverbandes liegen im Bereich des Flughafengeländes und sind durch die geplante Ausdehnung der gewerblichen Nutzung des Flughafens (241 ha) von der Schließung bedroht (siehe Planfeststellung Sonderflughafen Oberpfaffenhofen)

  • Zweckverband zur Großräumigen Wasserversorgung, Brunnen IV, Genehmigung wird nicht erneuert, unter anderem weil der Brunnen zu nahe an das Gelände des Flughafens Oberpfaffenhofen heranreicht

  • Germering: Trinkwasserversorgung durch den Ausbau des Flughafens Oberpfaffenhofen gefährdet (Vergleich Schadensfall mit Chlorkohlenwasserstoffen 1990/91)

Es stellt sich die Frage, woher die Bewohner des nördlichen Landkreises Starnberg ihr Trinkwasser bekommen sollen, wenn jeder Brunnen statt geschützt zu werden, bei drohender Gefahr einfach geschlossen wird.

Neuausweisungen von Trinkwasserschutzgebieten dauern jetzt schon bis zu 15 Jahre (Sprecher des Verbandes der Bayerischen Gas- und Wasserwirtschaft Möller, SZ vom 03.04.2003).

Vor diesem Hintergrund darf der leistungsfähige Brunnen der Gemeinde Wörthsee mit hochwertigem Wasser nicht leichtfertig für eine Umgehungsstraße mit geringfügiger Entlastungswirkung geopfert oder auch nur gefährdet werden.

2. Die Straße zerstört eine einmalige und unter verschiedenen Schutzkategorien stehende Landschaft

Die geplante Trasse läuft quer durch ein Gebiet, das gleichzeitig folgendes ist:

2.1. Teil des regionalen Grünzuges "Herrschinger Moos/Weßlinger See/Aubinger Lohe"

Regionale Grünzüge sollen zur Verbesserung des Bioklimas und zur Sicherung eines ausreichenden Luftaustauschs, zur Gliederung der Siedlungsräume und zur Erholungsvorsorge in Siedlungsgebieten und siedlungsnahen Bereichen ausgewiesen werden; Planungen und Maßnahmen, die die jeweilige Funktion beeinträchtigen, sollen unterbleiben (Landesplanerische Beurteilung des Raumordnungsverfahrens durch die Regierung von Oberbayern vom 15.04.97). 

2.2. Teil des landschaftlichen Vorbehaltsgebiets "Ammersee mit Herrschinger Moos, Wörth-, Pilsen- und Weßlinger See"

In diesem landschaftlichen Vorbehaltsgebiet kommen den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege besonderes Gewicht zu (Landesplanerische Beurteilung des Raumordnungsverfahrens durch die Regierung von Oberbayern vom 15.04.97

2.3. Teil des Landschaftsschutzgebietes "Westlicher Teil des Landkreises Starnberg", Landschaftsteil "Seefelder Rücken" und "Dellinger Buchet" und Teil des Landschaftsschutzgebietes "Fünf-Seen-Gebiet"

In diesem Landschaftsschutzgebiet ist es verboten, Veränderungen vorzunehmen, die geeignet sind, die Natur zu schädigen, den Naturgenuss zu beeinträchtigen und das Landschaftsbild zu verunstalten (Stellungnahme des Landratsamtes Starnberg zum Raumordnungsverfahren

2.4. Natura 2000-Gebiete, FFH-Gebiete

Im Planungsgebiet zur Westumfahrung von Weßling liegen mehrere Natura 2000-Gebiete. Auf sie wird im Abschnitt 3 genauer eingegangen. Dies stellt die große naturschutzfachliche Bedeutung des beplanten Gebietes heraus.  

2.5. Erholungsraum

Die Trasse zerschneidet für die Naherholung bedeutsame, bisher gering bis gar nicht zerschnittene Erholungsräume der Gemeinden Weßling und Wörthsee“ (aus der Stellungnahme des Planungsverbandes Äußerer Wirtschaftsraum München zum Raumordnungsverfahren). Spaziergänger, Jogger und Radfahrer schätzen dieses naturnahe und noch weitgehend ruhige Naherholungsgebiet. Wanderrouten durch dieses Gebiet sind in unzähligen Führern beschrieben. Zitat: „Stimmungsvolle Wanderung durch abwechslungsreiche Wald- und Wiesenlandschaft;“ (Wanderatlas Deutschland, Die 300 schönsten Touren zwischen Rügen und Garmisch). Durch die Trasse werden diese Erholungsräume entwertet

 

3. Wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen werden zerstört und zerschnitten 

Das Gebiet stellt in seiner Gesamtheit einen wertvollen Lebensraum für Pflanzen und Tiere dar. Dies kommt im hohen Flächenanteil wertvoller und sehr wertvoller Strukturtypen und dem Auftreten gefährdeter und stark gefährdeter Tier- und Pflanzenarten zum Ausdruck. Der insgesamt nicht sehr überzeugenden Entlastungswirkung bei der Trasse stehen erhebliche Nachteile durch die Eingriffe und Beeinträchtigungen der natürlichen (Umwelt-) Schutzgüter gegenüber und damit auch erhebliche Einschränkungen der weiteren Brauchbarkeit des Raumes für die Naherholung (ausreichend große unzerschnittene und ruhige Naturräume) und als Lebensraum für Tiere.

3.1. FFH-Verträglichkeitsprüfung

Um den Erhaltungszustand der in den NATURA 2000-Schutzgebieten vorhandenen Lebensraumtypen zu bewahren und um den Habitaten der maßgeblichen Tier- und Pflanzenarten eine Art Grundsicherung zu erhalten fordert Artikel 6 Abs. 2 der FFH-RL die Mitgliedsstaaten zum Ergreifen geeigneter Maßnahmen auf, die eine Verschlechterung der Lebensräume vermeiden (Verschlechterungsverbot) und relevante Störungen der Arten verhindern (Störungsverbot).

Damit ist jede Verschlechterung der in den Schutzgebieten gelegenen Lebensräume und Habitate betroffen, unabhängig davon, an welchem Ort die zur Beeinträchtigung führende Handlung vorgenommen wird (BverwG, NuR 1998, 261,265). Anhang II und IV umfasst eine Vielzahl verschiedenster Tier- und Pflanzenarten, deren Erhaltung im gemeinschaftlichen Interesse liegt, hierzu zählen u.a. Springfrosch, Laubfrosch, Gelbbauchunke, Hirschkäfer und Frauenschuh, alles Arten, die auf oder in unmittelbarer Umgebung der geplanten Trasse der Umfahrung Weßling vorkommen bzw. ihr Verbreitungsgebiet besitzen (Unterlage 8.1 Landschaftspflegerischer Begleitplan der Planfeststellungsunterlagen Pkt. 3.4.1.3/ S. 16 ff und 3.4.1.5/ S. 22 ).

Auch durch vorgesehene Ausgleichsmaßnahmen sind "Eingriffe in Natur und Landschaft unvermeidbar" (ebenda, Pkt. 4.4/ S. 36) und "Es wird dort voraussichtlich trotz Amphibienleiteinrichtungen und Durchlässe zu nicht weiter minimierbaren Störungen und Beeinträchtigungen der Austausch- und Wanderbeziehungen kommen" (ebenda, Pkt. 4.4.2/ S. 38). Auch in der FFH-Verträglichkeitsabschätzung wird beispielsweise für den Springfrosch erwähnt: "Nicht auszuschließen sind mögliche Beeinträchtigungen durch Zerschneidungseffekte. ...... Ein Teil der bisherigen jährlichen Wanderungen zwischen Landlebensraum und Laichplatz wird sicherlich behindert. Die Beeinträchtigung ... ist vermutlich aber nicht erheblich." (Kap. 6.2.), sowie "Springfrosch .... können ... beeinträchtigt werden, .... Daher kommt es .... zu erheblichen Verkehrsgefährdungen und Zerschneidungseffekten." (Kap. 6.3.).

Wie angesichts dieser und weiter vorne dargestellten Auswirkungen daraus pauschal und fachlich nicht weiter begründet der Schluss gezogen wird, dass erhebliche Beeinträchtigungen auszuschließen sind (Pkt. 6.4/S. 54), ist nicht nachvollziehbar und steht im Widerspruch zu obigen Beurteilungen. Die Abschätzung der FFH-Verträglichkeit ist durch ihre Aussagen nicht geeignet, die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung zu widerlegen. Nach FFH-RL ist aber bereits dann eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn mit dem Eingriff eine erhebliche Beeinträchtigung verbunden sein "könnte". Angesichts der mangelhaften Begründung einer angeblichen "Nicht-Erheblichkeit" und inhaltlichen Widersprüchen in der FFH-Abschätzung sowie angesichts der vorher sogar in den Planungsunterlagen aufgeführten unvermeidbaren Beeinträchtigungen kann eine erhebliche Beeinträchtigung keineswegs ausgeschlossen werden. Daraus ergibt sich nach FFH- RL Art. 6, Abs. 3, S. 1 die zwingende Notwendigkeit einer FFH-Verträglichkeitsprüfung incl. umfassender Alternativenprüfung etc. Die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung mit erheblicher Intensität ist damit gegeben, dass wie oben dargestellt nicht ausschließbare und auch durch Ausgleichsmaßnahmen nicht heilbare Beeinträchtigungen mit Sicherheit zu erwarten sind. Sie ist bisher unterblieben.

Wir weisen zudem darauf hin, dass es derzeit noch höchst umstritten ist, wie der Begriff der Erheblichkeit auszulegen ist, und dass eine Einschränkung der Prüfung und der daraus abgeleiteten Bewertung auf "erhebliche" Eingriffe dem allgemeinen Verschlechterungsverbot widerspricht.

Die FFH-Verträglichkeits-Abschätzung ist selbst auch insoweit fehlerhaft, dass sie Minimierungsmaßnahmen zur Ableitung einer Nicht-Erheblichkeit heranzieht. Bei einer FFH-Verträglichkeits-Abschätzung muss zunächst nur die Wirkung des Eingriffs bewertet werden, bei einer Erheblichkeit der Eingriffs folgen die weiteren Prüfschritte bis hin zur Feststellung der Unverträglichkeit des Vorhabens. Ausgleichsmaßnahmen sind erst der letzte Schritt der Prüfung und ergeben sich als Konsequenz einer vorher festgestellten Durchführbarkeit eines Projektes, keinesfalls jedoch als Mittel, um einen an sich erheblichen Eingriff angeblich unerheblicher zu machen.

Die FFH-Verträglichkeitsabschätzung ist unabhängig von der grundsätzlichen fehlerhaften Berücksichtigung von Ausgleichsmaßnahmen auch darin fehlerhaft, dass sie von einer grundsätzlichen Ausgleichbarkeit durch Amphibientunnel ausgeht. Ob die nach Anhang V der FFH-Richtlinie streng geschützten Arten Springfrosch und Laubfrosch durch Amphibientunnel wandern können, ist noch nicht geklärt bzw. ist in der Wirkung sehr unterschiedlich zu beurteilen. Da dies nicht berücksichtigt wurde, ist mindestens eines von zwei Vorkommen des sehr seltenen Springfrosches - dessen Erhalt ein wichtiges Erhaltungsziel ist - stark gefährdet. Dies untermauert die Fehlerhaftigkeit der Aussage, dass "eine erhebliche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele (...) somit nicht zu erwarten" ist (Kap. 6.4.).

Weiterhin ist die Abschätzung der FFH-Verträglichkeit auch fehlerhaft, da sie keinerlei Aussagen zu den Vorkommen des Hirschkäfers im Untersuchungsgebiet macht (s. 3.2.).

3.2. Nachweis des Hirschkäfers

Im Gutachten "Gefährdung des Hirschkäfers (Lucanus cervus) durch den Neubau der Umgehungsstraße von Weßling" (siehe Anlage2) wird von Dr. Klaus Kuhn die FFH-Art Hirschkäfer in dem Gebiet der geplanten Trasse nachgewiesen. Der BN hat daher beim Ministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen den Antrag auf Nachmeldung als Hirschkäfer-FFH-Gebiet gestellt. Das offizielle Verfahren zur Nachmeldung von FFH-Gebieten in Bayern läuft derzeit gerade erst an. Bayern wurde gerade auch bezüglich des Hirschkäfers zur Nachmeldung von FFH-Gebieten verpflichtet. Da das Vorkommen eines von vier Vorkommen südlich der Donau ist, zwängt sich eine Nachmeldung eines Gebietes zum Schutz dieses Hirschkäfer-Vorkommens geradezu auf. Das Gebiet ist daher als potentielles FFH-Gebiet zu betrachten und entsprechend zu behandeln. Damit gilt ein Verschlechterungsverbot, das sich auf die Erhaltungsziele bezieht. Bei möglichen Auswirkungen auf die Erhaltungsziele ist eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen. Daher fordert der BN, dass auch für das Hirschkäfer-Vorkommen eine entsprechende FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss. Das Fehlen jeglicher Aussagen zum Hirschkäfer ist ein eklatanter Mangel der Planung.

Der Hirschkäfer zählt zu den Leitarten für den Waldnaturschutz im Sinne der FFH-Richtlinie. Er ist Bioindikator für hohe Alt- und Totholzanteile, Uraltbäume, unzerschnittene Waldstrukturen. Mit dem Schutz dieser Leitart werden automatisch zahlreiche weitere für Mitteleuropa charakteristische Arten, für die Deutschland eine besondere weltweite Verantwortung zukommt, in ihrem Bestand gesichert.

Die geplante Umgehungsstraße Weßling stellt eine weitere Bedrohung der ohnehin schon kleinen Reliktpopulation dar. Zum Aussterben dieser Reliktpopulationen können neben den Verlusten durch den Straßenverkehr, vor allem eine Verringerung der Anzahl von Brutbäumen (Unterschreitung Minimalareal) beitragen. Ausgleichsmaßnahmen mögen vom Gesetz vorgesehen sein, werden aber nichts am Aussterben eines der vier südlich der Donau belegten Vorkommen des Hirschkäfers ändern.

3.3. Altbestände an Bäumen sind nicht ausgleichbar!

Im Landschaftspflegerischen Begleitplan finden sich folgende Aussagen:

"Aus naturschutzfachlicher Sicht haben die Altbestände (Laubwald-, Mischwald-, Nadelwaldaltbestände) eine sehr hohe Bedeutung, da Alter nicht wiederherstellbar ist. Altbestände weisen einen sehr hohen Strukturreichtum auf, der wiederum sehr wichtig für die Tierwelt, aber auch die Pflanzenwelt der Krautschicht ist. Altbestände sind meist ziemlich naturnah." (Seite 16)
"Nicht ausgleichbar sind die Eingriffe in naturnahe Laubwälder mit hohem Biotopwert. Aufgrund des hohen Bestandsalters der Bäume ist eine Wiederherstellung in planungsrelevanten Zeiträumen nicht gesichert; daher wird Ersatz notwendig." (Seite 43)

Das bedeutet, dass zwar entsprechend dem Gesetz Ersatzflächen bereitgestellt werden, die zerstörten Altbestände mit ihren speziellen Lebensgemeinschaften und -strukturen aber unwiederbringlich verloren gehen (Alter ist nicht wiederherstellbar). In den Ersatzpflanzungen könnte sich erst nach mehreren hundert Jahren wieder ein Flora/Faunahabitat mit Hirschkäfern, Schwarzspechten und anderen seltenen Tier- und Pflanzenarten einstellen, das vergleichbar mit dem jetzigen Zustand ist. Es ist offensichtlich, dass dies realitätsfremd ist.

3.4. Waldränder

Bei Aufforstungen landwirtschaftlicher Flächen zwischen neuer Straße und vorhandenen Waldrändern ist zu bedenken, dass der Übergang von Wald zu freien Flächen der biologisch aktivste Teil der Landschaft ist. Wenn nun durch Aufforstungen der Waldrand neben die Straße verlegt wird, verliert er diese ökologisch wichtige Funktion gleichwohl fast völlig. Also wäre nicht nur der Flächenverlust des Waldes auszugleichen sondern auch der Verlust an ökologischem Wert der Waldränder, der durch Aufforstung bisher landwirtschaftlich genutzter Flächen nicht kompensiert werden kann.

3.5. Betrachtete Tierarten

In dem von der Trasse betroffenen Gebiet kommen u. a. eine vom Aussterben bedrohte, neun stark gefährdete und acht gefährdete Vogelarten vor. Ferner "liegt die Zahl der Brutvogelarten mit 81 deutlich über dem Erwartungswert von 51 Arten für eine etwa 350 ha große Fläche. ... Das Gebiet westlich von Weßling ist also hinsichtlich seiner Brutvogelartenzahl als artenreich zu bezeichnen. ... Typische Waldarten, auch solche mit größerem Flächenansprüchen wie Spechte sind in einem nahezu vollständigen Artenspektrum vorhanden." (Seite 18f im Landschaftspflegerischen Begleitplan) Allerdings stehen diese Aussagen in ihrer Wertigkeit im Widerspruch zu der Beurteilung in den FFH-Erhaltungszielen.

Neben wenigen Schmetterlingsarten fehlen in der Bestandserfassung weitere Beispiele der artenreichsten Gruppe, den Insekten, hingegen fast vollständig. Das ist besonders hinsichtlich des Hirschkäfer-Vorkommens sehr bedauerlich. Deswegen fordert der BN eine eingehende Untersuchung auch dieser Tiergruppe.

3.6. Dellinger Höhe

Die Baumaßnahme beginnt im Süden ca. 100 m vor dem südlichen Waldrand der Dellinger Höhe. Die Tieferlegung und die technisch notwendige Errichtung einer Stützmauer (die Angaben aus Erläuterungsbericht Pkt. 4.6.1 mit Länge von ca. 75 m und Höhe von ca. 4,5 m sind nicht glaubwürdig!) bedeutet einen massiven Eingriff in die Landschaftstopographie durch die Zerschneidung der Jungmoräne mit erheblichen Auswirkungen auf Landschaftsbild und Wanderungsbeziehungen der Tierwelt.
Am Nordrand der Dellinger Höhe bleiben zwischen Plantrasse und nordöstlich gelegenen Freiflächen mehrere, meist dreieckig geformte, isolierte Buchenwald-Inseln beiderseits der Einmündung der STA 2068 alt bestehen, deren Überlebensfähigkeit infolge Windwurfs nicht gewährleistet ist. Der Waldverlust, insbesondere im Altbestand wird damit höher ausfallen, als im Verfahren angegeben.

Die Bauwerke zur Einschleifung des Kfz- und Radverkehrs von der St 2068 alt aus Weßling/ Ort in die STA 2068 neu Richtung Herrsching erscheinen unnötig aufwendig, kostenträchtig und landschaftsverbrauchend.

3.7. Mitterwies, Laich, Golfplatz und Anschluss Grünsinker Str. Bau-km 2,7 bis 3,2

Die Zerstörung des naturnahen Waldrandes und der tiefe Einschnitt in das Gelände widersprechen diametral den Grundsätzen eines schonenden Umgangs mit Natur und Boden. Der ökologische Schaden durch die Trassenführung und die erschwerte Waldbewirtschaftung sowie die Sturmbruch- und Glättegefahr sprechen eindeutig gegen die Umgehungsstraße.

3.8. Trennung der Naturschutzgebiete Schluifelder Moos und Pfeiferwinkelmoos

Besonders zu betonen ist aus der Sicht des BN die Bedeutung der Waldgebiete Pfeiferwinkel, Taxleiten und Neuschlag, einschl. den Waldrändern und der Waldlichtung Mitterwies, in ihrer Zuordnung zu den Naturschutzgebieten Schluifelder Moos und Pfeiferwinkelmoos - insbesondere als Amphibienlebensraum. Beide NSGs würden angesichts ihrer Lage zwischen der Bebauung Wörthsee (Ortsteil Waldbrunn), der Autobahn A 96 und dem weitgehend sterilen Golfplatz Schluifeld stark entwertet, wenn durch den Bau einer neuen Staatsstraße eine zusätzliche Zerschneidung stattfinden würde.

4. Die erhoffte Verkehrsberuhigung Weßlings steht in keinem Verhältnis zu den negativen Auswirkungen der neuen Straße

4.1. Uneinheitliche Verkehrsgutachten

Im Erläuterungsbericht wird als Quelle der Verkehrszahlen ein Gutachten von Prof. Dr.-Ing. Kurzak aus dem Jahr 2002 mit Prognosen für das Jahr 2020 angegeben. Das uns zur Verfügung gestellte Gutachten aus dem Jahr 2002 enthält jedoch eine Prognose für das Jahr 2015. Im Anhang des Erläuterungsberichts liest man das Datum 14.07.2003 mit einer Prognose für 2020.
Diese uneinheitlichen Angaben erschweren eine sachgerechte Auseinandersetzung mit der Planfeststellung.

4.2. Einfluss des Gewerbegebietes Argelsrieder Feld auf Entlastungsprognose

Die Gemeinde Weßling plant, im Bereich "Argelsrieder Feld" und "MercatorPark" Gewerbe in größerem Ausmaß anzusiedeln. Bereits heute existiert dort eine Aldi-Filiale, die ein erhebliches Verkehrsaufkommen mit sich bringt. Es ist die Frage zu stellen, wie Autofahrer, die vom Süden Weßlings in das geplante Großgewerbegebiet fahren wollen, dazu veranlasst werden sollen, vom geplanten Abzweig Dellinger Höhe bis zum Gewerbegebiet Argelsrieder Feld nicht durch Weßling 2,8 km sondern über die geplante Umgehungsstraße 10,4 km zu fahren.

Weder aus den Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren noch aus den Verkehrsgutachten geht in irgend einer Weise hervor, welche Auswirkungen dieser Verkehr auf die Ortsmitte von Weßling haben wird.

4.3. Rückbau der Ortsdurchfahrt von Weßling

In dem Verkehrsgutachten wird angegeben, dass selbst mit Umgehungsstraße in der Ortsmitte ein Verkehrsaufkommen von 11.700 Kfz/24 Std. im Jahr 2020 verbleiben wird. Das gilt unter der Voraussetzung, dass "die St 2068(alt) in der Ortsmitte rückgebaut wird, wobei ein Abschnitt auch verkehrsberuhigt als Tempo-30-Zone auszuweisen ist" (Kurzak 2002). Der Durchschnitt auf bayerischen Staatsstraßen lag im Jahr 2000 bei 3.761 Kfz/24Std.

Der BN bezweifelt, dass 11.700 Kfz/24 Std. (mehr als das dreifache einer bayerischen Staatsstraße) mit einer Tempo 30-Zone bewältigbar sind. Kann jedoch die Tempo 30-Zone nicht eingerichtet werden bzw. der Rückbau nicht im vorausgesetzten Umfang stattfinden, wird auch das verbleibende Verkehrsaufkommen höher ausfallen. Somit ist die Entlastungswirkung der Umgehungsstraße voraussichtlich geringer als angenommen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Rückstufung der St 2068 alt im Bereich der Ortsdurchfahrt Weßling zu einer Gemeindestraße als unrealistisch. Die Gemeinde Weßling würde damit Baulastträger für eine Straße mit 11.700 Kfz/Tag.

4.4. Rückbau der St 2349 (Grünsinker Straße) zu einem öffentlichen Feld- und Waldweg

Es ist geplant, nördlich des S-Bahnhofes Weßling den zusätzlichen Parkplatz "Am Katzenstein" für S-Bahn-Nutzer (in Richtung München) zu bauen. Wenn gleichzeitig die Zufahrt von Westen zu diesem Parkplatz über die St 2349 nicht mehr möglich sein wird, wird der Verkehr zu diesem Parkplatz über die neue St 2068 und anschließend durch die Ortsmitte rollen. Dieser Parkplatz hat eine hohe Attraktivität als Umsteigepunkt zum ÖPNV, da zum einen von Weßling bis München ein 10/20-Minuten-Takt eingerichtet wird, es zwischen Weßling und Herrsching jedoch beim 20/40-Minuten-Takt bleiben soll, und außerdem die Fahrt nach München vom nächstgelegenen Halt Steinebach um 50% teurer ist als vom Bahnhof Weßling aus.

Somit wird durch den geplanten Parkplatz neuer Verkehr in die Ortsmitte von Weßling gezogen. Darunter fallen nicht nur die Fahrzeuge, die auf dem Parkplatz parken werden sondern auch der Verkehr, mit dem Personen zur S-Bahn gebracht und abgeholt werden.

Dieser Verkehr ist in den Verkehrsgutachten bisher nicht berücksichtigt.

4.5. Ausmaß der Entlastung fragwürdig

Die für das Jahr 2020 prognostizierte Entlastung durch die St 2068 neu im Ortszentrum von Weßling beträgt laut Verkehrsgutachten 38% (19.000 zu 11.700 Kfz/24Std.).

Der BN sieht hingegen eine Reihe von Punkten, die die Aussagekraft dieser Zahl zweifelhaft erscheinen lassen:

  • Im Raumordnungsverfahren wurde von Prof. Dr.-Ing. Kurzak für das Jahr 2010 durch die neue St 2068 eine Entlastung der Ortsmitte von Weßling von 25% prognostiziert. Im Textteil des Verkehrsgutachtens von 2002 wird für das Jahr 2020 eine Entlastung von 40% angenommen (Siehe auch Erläuterungsbericht, Seite 7, 2.4). Leider wird nicht erläutert, wie dieser Unterschied zustande kommt.
  • Wie bereits unter 4.2 unseres Schreibens aufgezeigt, werden durch die Gemeinde Weßling nördlich des Ortes neue Verkehrsanziehungspunkte geschaffen. Diese sind in den Verkehrsgutachten für die Prognose offensichtlich nicht berücksichtigt worden.
  • Unter 4.3 unseres Schreibens ist ausgeführt, dass der Rückbau der Ortsdurchfahrt Weßling als Grundlage für eine 38 prozentige Entlastung unrealistisch erscheint.
  • Unter 4.4 unseres Schreibens sieht man, dass wiederum realitätsferne Rückbauvorstellungen zur Grundlage der Entlastungsabschätzung herangezogen wurden.

Bei Berücksichtigung dieser Punkte ist der BN der Meinung, dass die prognostizierte Entlastung von 38% nicht zu erreichen ist.

4.6. Analyse der Entlastungsmöglichkeiten durch andere Verkehrsträger

Bereits in seiner Stellungnahme zum Raumordnungsverfahren hat der BN darauf hingewiesen, dass das Straßenbauamt dem Antrag der Gemeinde Weßling folgend nur die kleinräumigen Belange dieser Gemeinde untersucht hat. Eine Entlastung der Ortsdurchfahrt Weßling durch ökologisch und ökonomisch sinnvolle und längst überfälligen Verbesserungen im S-Bahn-Nahverkehr muss in einem ernst zu nehmenden Verkehrsgutachten untersucht sowie in einem Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren unbedingt berücksichtigt werden.

Immer wieder geforderte Verbesserungen im ÖPNV wären:

  • 20-Minuten S-Bahn-Takt bis Herrsching
  • ein zweites Gleis im Bahnhof Steinebach für erhöhte Pünktlichkeit der Züge
  • entfernungsabhängige Fahrpreisgestaltung statt des 50%-MVV-Tarifsprunges jenseits von Weßling
  • neuer S-Bahnhof Weßling-Weichselbaum (wie vom Regionalen Planungsverband gefordert)

4.7. Raumordnerische Entwicklungsziele

Im Regionalplan für die Region München (Textteil, Neudruck vom 01.08.2002) finden sich folgende Ziele und Grundsätze im Teil B V, Verkehr und Nachrichtenwesen:

  • Ein deutlich höherer Anteil des gesamten Verkehrs soll im Umweltverbund (öffentlicher Verkehr und nicht-motorisierter Verkehr) abgewickelt werden.
  • Der öffentliche Personennahverkehr ist auszubauen. Ergänzungen und Kapazitätsausweitungen der Infrastruktur für den fließenden und ruhenden motorisierten Individualverkehr sollen in Abstimmung mit der Erschließung durch öffentliche Verkehrsmittel vorgenommen werden.

Im gesamten Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren finden diese raumordnerischen Entwicklungsziele keinerlei Eingang. Insbesondere im Kapitel 2.3 des Erläuterungsberichtes (Raumordnerische Entwicklungsziele) werden sie mit keinem Wort erwähnt.

Es ist somit festzuhalten, dass die bisherigen Verwaltungsverfahren in diesem Punkt fehlerhaft sind.

4.8. Großräumige Auswirkungen

Die Frage nach den großräumigen Auswirkungen der geplanten Umgehungsstraße ist unbeantwortet:

  • In einem Verkehrsgutachten muss unbedingt untersucht werden, wie sich die geplante Umgehungsstraße in Verbindung mit der Eschenrieder Spange auswirken wird. Es steht zu befürchten, dass der Schwerlastverkehr von den Autobahnen Nürnberg und Stuttgart über die Eschenrieder Spange, Germering, Gilching, St 2068 neu den Weg nach Weilheim / Autobahn Garmisch wählt. Das Ergebnis wäre, dass Herrsching komplett "absäuft".
  • Ein Beispiel für solch eine Entwicklung stellt Inning dar: Seit der Fertigstellung der B471 (Verbindung A96 und A8 mit Umgehung Fürstenfeldbruck) leidet Inning unter einem Schwerlastdurchgangsverkehr bisher unbekannten Ausmaßes. Dieser Verkehr sucht sich von der A8 kommend eine Route in den Bereich Weilheim / Autobahn Garmisch.
  • Eine bereits diskutierte Ostanbindung von Weßling zur A96 findet keinerlei Erwähnung.
  • Ein Hinweis auf mögliche Zusammenhänge zu Überlegungen einer Achse A96 - Oberbrunn - Unterbrunn - Starnberg - Weilheim fehlt.
  • Im Landkreis Starnberg muss grundsätzlich über die Zukunft des Verkehrs nachgedacht werden. Es darf nicht sein, dass mal hier, mal dort eine kleine Umgehungsstraße gebaut wird (Inning, Weßling, Breitbrunn, Starnberg, Unterbrunn) ohne den Zusammenhang zwischen den Verkehrswegen und -möglichkeiten zu sehen.

Solange nur ein "Kraftfahrzeuggutachten" nicht jedoch ein Verkehrsgutachten zur raumordnerischen Bedeutung dieser Straße vorliegt, muss der Bau einer neuen Straße durch ein vielfach geschütztes Gebiet unterbleiben!

5. Einzelthemen zu den Planfeststellungsunterlagen

In diesem Abschnitt wird auf einzelne Aussagen in den Unterlagen zur Planfeststellung eingegangen, die inhaltlich unhaltbar sind und deshalb einer Korrektur bedürfen.

5.1. Wasserschutzgebiete werden angeblich nicht berührt

Im Erläuterungsbericht steht auf Seite 9 bei der Beurteilung der Wahltrasse I und auf Seite 14 bei der Beurteilung der Wahltrasse II:
"Schutzgut Wasser: Wasserschutzgebiete und Oberflächengewässer werden nicht berührt."
Das ist nicht zutreffend.
Beide Wahltrassen queren die Schutzzone III des Wörthseer Trinkwasserbrunnens III.
Darauf weist auch der Erläuterungsbericht Seite 37 selbst hin:
"Die St 2068 verläuft von Station 0+830 bis ca. 2+100 auf einer Länge von etwa 1300 m in einer geplanten Wasserschutzzone III." Es handelt sich hier nicht um eine "geplante" sondern um eine vorhandene Wasserschutzzone, und zwar mit Verordnung des Landratsamtes Starnberg vom 21.12.2000.

5.2. Angebliche Günstigkeit des Untergrundes im Bereich des Wasserschutzgebietes

Im Erläuterungsbericht steht auf Seite 24:
"Da die Untergrundbeschaffenheit als günstig, im Sinne der Wasserwirtschaft angenommen werden kann, wurde Folgendes in Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt München festgelegt: ..."

Die Untergrundbeschaffenheit ist nicht günstig!

Zitate aus dem Gutachten "Einzugsgebietsermittlung Brunnen III und Hydrogeologisches Gutachten" des Ingenieurbüros Dr. Blasy + Mader:
"... Dies legt nahe, dass das obere Grundwasserstockwerk keine flächendeckende Verbreitung hat. Stattdessen kann der obere Aquifer in Bereichen mit hydraulischen Fenstern in das tiefere quartäre Hauptgrundwasservorkommen aussickern und somit zu dessen Grundwasserneubildung beitragen." (Siehe hier)

"Wie die hydrochemischen Untersuchungsreihen zeigen, ist das obere und untere Grundwasserstockwerk im gleichen Maße zu schützen, da oberstromig des Brunnens Verunreinigungen aus dem oberen Stockwerk mittelfristig in den Hauptaquifer gelangen können." (Siehe hier)

Zitat aus der Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes vom 22.03.2000:
"Abgesehen davon legt die fast durchwegs kiesige Ausbildung der quartären Schichten bei B2 die Einstufung "günstige Untergrundverhältnisse" nicht unbedingt nahe. Falls man davon absehen will, das Niederschlagswasser auszuleiten, müsste durch entsprechende Aufschlüsse belegt werden, dass tatsächlich günstige Untergrundverhältnisse vorliegen."

Zitat aus dem Landschaftspflegerischen Begleitplan, Textteil, Seite 24:
"Oberirdische dauernd wasserführende Fließgewässer fehlen völlig, was auf hohe Versickerungsraten hindeutet."

Von einer günstigen Untergrundbeschaffenheit im Sinne der Wasserwirtschaft auszugehen, ist somit sachlich nicht gerechtfertigt.

5.3. Angeblich keine negativen Auswirkungen auf das Grundwasser

Im Erläuterungsbericht steht auf Seite 37:
"Negative Auswirkungen auf das Grundwasser und den Grundwasserhaushalt sind durch die Baumaßnahme nicht zu erwarten."
Tatsächlich gibt es insbesondere auf das als Trinkwasser genutzte Grundwasser ausgesprochen negative Auswirkungen durch:

  • ständige Einwirkungen (Bremsen-, Reifen- und Fahrbahnabrieb sowie Tropfverluste von Öl und anderen Betriebsstoffen der Fahrzeuge)
  • vorübergehende Einwirkungen (Tausalzstreuung)
  • außergewöhnliche Einwirkungen (Emission wassergefährdender Stoffe bei Verkehrsunfällen)
    Z. B. gab es im Jahr 2000 in Baden-Württemberg 100 Unfälle in Wasserschutzgebieten bei der Beförderung von wassergefährdenden Stoffen (Quelle http://www.uvm.baden-wuerttemberg.de/uvm/abt5/pdf_files/grundwasser.pdf).

Alle diese Einwirkungen werden sich mittelfristig im Trinkwasser wieder finden: "Wie die hydrochemischen Untersuchungsreihen zeigen, ... da oberstromig des Brunnens Verunreinigungen aus dem oberen Stockwerk mittelfristig in den Hauptaquifer gelangen können." (siehe 5.2)

5.4. Behandlung des Oberflächenwassers im Bereich der S-Bahn-Unterführung

Im Erläuterungsbericht steht auf Seite 35 unten:
"Im Bereich Unterführung der S-Bahnlinie ... wird das Oberflächenwasser in Versickermulden, die mit Humus angedeckt und begrünt werden, gesammelt und über die belebte Bodenzone versickert."

Hingegen gibt es ein Zitat aus der Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes vom 22.03.2000:
"Unter Berücksichtigung dieser Aspekte könnte man aus wasserwirtschaftlicher Sicht den Bau einer Unterführung ins Auge fassen, wenn folgende Randbedingungen erfüllt sind: ... Das anfallende Niederschlagswasser wird gesammelt und aus dem Schutzgebiet ausgeleitet."

Diese Randbedingung ist nicht erfüllt, weil gegenwärtig Versickerung vorgesehen ist!

5.5. Schutz des Brunnens III der Gemeinde Wörthsee, nicht Brunnen II

Im Erläuterungsbericht auf Seite 17, Punkt 7 steht, dass die Beeinträchtigung des Brunnens II auszuschließen ist. Es handelt sich aber um den Brunnen III.

5.6. Rückstufung bestehender Straßen

Im Erläuterungsbericht werden widersprüchliche Angaben zur Rückstufung der St 2068 alt im Bereich der Ortsdurchfahrt Weßling zu einer Gemeindestraße sowie der St 2349 zwischen St 2068 neu und St 2068 alt gemacht:

  • Seite1, 1.1.1 Mit Verkehrsübergabe der St 2068 neu, wird die jetzige St 2068 im Ortsbereich Weßling bis zur Einmündung der St 2349 aus Oberpfaffenhofen zur Gemeindestraße umgestuft. Als Weiteres wird die bestehende St 2349 zwischen der Anschlussstelle Wörthsee und der Wallfahrtskapelle Grünsink zu einem öffentlichen Feld- und Waldweg abgestuft.
  • Seite 7, 2.4: Abstufungen der jetzigen St 2068 und St 2349 sind vorgesehen
  • Seite 18, 3.3: Es ist geplant, die St 2349 nach Fertigstellung der Umgehung Weßling zwischen der St 2068 neu und der St 2068 alt abzustufen und zwischen der St 2068 neu und der Kapelle Grünsink zu einem unbefestigten öffentlichen Feld- und Waldweg zurückzubauen.
  • Seite 26, 4.3: Die bestehende St 2349 wird bis zur Wallfahrtskapelle Grünsink zu einem öffentlichen Feld- und Waldweg zurückgestuft. Es erfolgt der Anschluss an die St 2068 neu nur noch als öffentlicher Feld- und Waldweg.

Ist die Rückstufung der St 2068 im Ortsbereich Weßling nun vorgesehen oder ist sie Teil des Planfeststellungsverfahrens?

5.7. Schwarzspecht im Landschaftspflegerischen Begleittext

Es ist nicht verständlich, was mit der Aussage auf S. 52 des Landschaftspflegerischen Begleitplans gemeint ist: "Der Schwarzspecht wird mittel- und langfristig von der umfangreichen Wiederaufforstung im Zuge der naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen profitieren." Wenn ein Schwarzspecht wegen fehlendem, altem Baumbestand verschwunden ist, wird eine Wiederansiedlung im alten Lebensraum schwer möglich sein.

5.8. Ausmaß der Entlastung in Abhängigkeit der Rückstufung der St 2068

Im Erläuterungsbericht auf Seite 7, 2.4 steht:
Durch geeignete Verkehrsberuhigung in der Ortsdurchfahrt Weßling kann dieser Anteil (von 40%) weiter erhöht werden.
Im Verkehrsgutachten wird jedoch die Verkehrsberuhigung vorausgesetzt, um die angegebenen 40% Entlastung erreichen zu können.

Zusammenfassung:

Es muss von Seiten des BN festgestellt werden, dass erhebliche Defizite bei der Ermittlung der relevanten Daten zur Planfeststellung aufgetreten sind. Dies betrifft die Überprüfung einzelner Tatsachenkomplexe wie Bodenbeschaffenheit, Trinkwasserschutz und Naturschutz sowie die Einbeziehung alternativer Verkehrsträger. Unabhängig von ihrer Ausbauart stellt die geplante Straße für die gemeindliche Wasserversorgung von Wörthsee ein zusätzliches Gefährdungspotenzial dar. Deshalb ist die Umfahrung von Weßling grundsätzlich abzulehnen.

Mit freundlichen Grüßen

 

Christine Margraf
Regionalreferentin

gez. Günter Schorn
1. Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Starnberg

 

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