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Hier lesen Sie das Gutachten von Dr. Klaus Kuhn über die
Gefährdung des Hirschkäfers (Lucanus cervus) durch den Neubau der Umgehungsstraße von Weßling
Der Hirschkäfer ist eines der größten Insekten der europäischen Fauna. Die
Art ist mit Ausnahme des Nordens in weiten Teilen Europas verbreitet. Vor allem
im Norden ist die Art aufgrund der Waldbewirtschaftung und des Einsatzes von
Pestiziden in deutlichem Rückgang und deshalb auf den Roten Listen vieler
europäischer Länder zu finden. Obwohl die Art in Deutschland seit Jahrzehnten
gesetzlichen Schutz genießt, ist der Hirschkäfer bayern- und bundesweit stark
gefährdet. Der Hirschkäfer wurde bisher für 14 bayerische FFH-Gebiete gemeldet, in denen spezielle Maßnahmen zu seinem Schutz ergriffen werden müssen. Keines dieser Gebiete liegt südlich der Donau, obwohl der Hirschkäfer hier auch Vorkommen besitzt. Die FFH-Richtlinie fordert aber auch eine räumliche Repräsentativität, d.h. es reicht nicht aus nur gute Vorkommen in Nordbayern zu melden, wenn die Art auch in Südbayern vorkommt. Tabelle 1. Gebiete, die Bayern zum Schutz des Hirschkäfers als FFH-Gebiet gemeldet hat:
Aus Südbayern sind derzeit weniger als 5 Vorkommen aktuell belegt (R. Geiser
mündl.):
Im Rahmen der Nachmeldungen die im September 2003 anstehen, ist eine Aufnahme dieser letzten südbayerischen Vorkommen zu einer besseren räumlichen Repräsentanz der Gebietsmeldungen für den Hirschkäfer in Bayern unverzichtbar. Zur Biologie des Hirschkäfers Lebensweise: Bevorzugte Entwicklungshabitate sind vermorschte, große Wurzelstöcke bzw. Wurzelbereiche alter Bäume. Meist werden Eichen bevorzugt. Lebensraum: Der Hirschkäfer bevorzugt Wälder mit Altholzbestand, in denen Eichen vorkommen. In der Rheinebene kommt er beispielsweise in trockenen bis frischen Eichen-Hainbuchenwälder vor, allem an lichteren südexponierten Bereichen. Vorkommen werden auch von Eichen-Alleen und Eichen-Einzelbäumen berichtet. Der Hirschkäfer ist auf Altholzbestände mit einem möglichst hohen Anteil alter und absterbender Bäume angewiesen. Das Minimalareal des Hirschkäfers liegt laut Tochtermann (1992) bei 125 Hektar. Gefährdung: Ursache für das Aussterben des Hirschkäfers ist der zunehmende Mangel an
Entwicklungshabitaten, z.B. durch Roden alter Baumstümpfe oder die Beseitigung
alter, anbrüchiger Eichen. Hirschkäfer haben nur eine geringe
Ausbreitungstendenz. Sie können den Verlust geeigneter Brutstätten nur in sehr
begrenztem Maße durch Ausbreitungsflüge ausgleichen. Jede weitere Verinselung
und Isolierung der noch vorhandenen Populationen ist deshalb sehr kritisch zu
sehen. Zwei wichtige Faktoren für den Hirschkäfer sind heutzutage knapp,
Larvalentwicklungsplätze und Saftstellen. Für die Larven werden große Stümpfe
alter, anbrüchiger Eichen, aber auch sonstige großdimensionierte
Morschholzstrukturen, z.B. liegende Stammstücke. Als Saftleckstellen benötigt
der Hirschkäfer alte Eichen, deren Rinde durch äußere Einflüsse ( z.B.
Blitzschlag, Frostriss) "blutende" Stellen aufweist. An diesen Stellen treffen
sich Männchen und Weibchen. Bedeutung des Hirschkäfer-Vorkommens im Raum Weßling/Steinebach Etwa 800 alte Eichen säumen die Staatsstraße 2068 zwischen Seefeld und
Weßling. Die prächtige, unter Naturschutz stehende Eichenallee aus dem 18.
Jahrhundert ist eine der längsten und ältesten in Europa. Die Eichenallee selbst ist wohl aufgrund der geringen Totholzanteile als Larvalhabitat wenig geeignet, wohl aber als Saftstelle für die erwachsenen Käfer. Ausgehend von der Hauptallee gibt es Zweigalleen, wie diejenige von Delling zum Dellinger Buchet, die beträchtlichen Totholzanteil aufweisen. Sie eignen sich sowohl als Brutbäume für den Hirschkäfer als auch als Saftleckstellen. Daneben weisen auch die Wälder (Eichen-Hainbuchen-Wald) zwischen Schluifeld und Wörthsee bemerkenswerten Altbaum- und Totholzbestand auf und müssen deshalb wie auch schon die jüngsten Funde des Hirschkäfers aufzeigen mit zum Lebensraume des Hirschkäfers im Raum Wörthsee gezählt werden.
stehendes und liegendes Eichentotholz bei Delling Nachweise des Hirschkäfers bei Steinebach in den letzten Jahren Fund: Hirschkäfer Weibchen, Juni 2002 Fund: Hirschkäfer Männchen(Totfund), Juli 2002 Fund: Hirschkäfer Männchen 30.6.2003 unregelmäßige Einzelfunde in den letzten 10 Jahren im Bereich der
Kuckuckstrasse und im nördlich angrenzenden Waldgebiet Richtung Weßling
(zwischen Taxleiten und Dellinger Buchet) Wenn auch die Hirschkäferpopulation gering sein mag, so ist doch jede Relikt-Population südlich der Donau schutzwürdig und sollte deshalb als FFH-Gebiet gemeldet werden. Umweltminister Schnappauf hat für den Herbst 2003 angekündigt, die Defizite in der bisherigen Meldeliste (also auch beim Hirschkäfer) durch neue FFH-Gebiete abzustellen. Eine Meldung des aktuell belegten Hirschkäfer-Vorkommens bei Wörthsee ist deshalb unbedingt zu fordern. Gefährdung der Hirschkäfer-Population durch die geplante Straße Durch die geplante Umgehungsstraße von Weßling wird der Lebensraum der Reliktpopulation des Hirschkäfers im Raum Weßling/Wörthsee weiter beschnitten. Insbesonders die Trennung des potenziellen Lebensraumes der Wälder um Grünsink von den Eichenbeständen bei Delling stellt eine weitere Bedrohung der ohnehin schon kleinen Population dar. Aufgrund der geringen Zahl geeigneter Brutbäume könnte dadurch das Minimalareal unterschritten werden, was zum Aussterben dieser Reliktpopulation führen könnte. Daneben sind durch die zusätzliche Straße auch weitere Verkehrsopfer bei den sehr langsam und tief fliegenden Hirschkäfern zu befürchten.
Literatur:
Autor: Dr. Klaus Kuhn |
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